Von außen wirkt das Hauptstraßenfest wie ein fröhliches Dorffest. Doch wer genauer hinsieht, erkennt: Hinter Blasmusik und Kinderschminken steckt ein stiller Hilfeschrei. Seit 21 Jahren trotzt Bad Kohlgrub dem Lärm – mit Kuchen, Seifenkisten und einem klaren Appell an die Landesregierung.
Bad Kohlgrub ist ein Kurort, in dem man eigentlich Erholung sucht. Doch statt Bergidylle herrscht hier tagtäglich Verkehrslärm. Wie ein tiefer Schnitt zieht sich die Staatsstraße 2062 durch das Herz des Kurorts – eine der Hauptverbindungen zwischen dem Oberland und dem Allgäu. Auch der Schwerlastverkehr quält sich durch den Ort. Ruhe? Fehlanzeige. Die Folge: gesundheitliche Belastung für die Anwohner – und wachsender Frust.
„Seit 21 Jahren kämpfen wir für eine Reduzierung des Verkehrs“, sagt Bürgermeister Franz Degele. Selbst der neue Antrag auf Tempo 30 wurde jetzt abgelehnt. Degele sieht im Stillstand der Landesregierung bei der Umsetzung der RLS19 (Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen 2019) eine klare Absage an die Anliegen der Gemeinde: „Sie hat uns hängen lassen“.
Tatsächlich würde die Anwendung der neuen Richtlinie Bad Kohlgrub Handlungsspielraum verschaffen. Denn laut RLS19 liegt der Geräuschpegel in der Ortsdurchfahrt klar über den zulässigen Werten – ein Umstand, den die alte Regelung noch als akzeptabel einstuft. Warum München untätig bleibt, bleibt unklar. Zwei Landtagsabgeordnete wurden zum Fest geladen – keiner erschien. Beide „urlaubsbedingt verhindert“, wie Hauptorganisator Martin Niklas trocken kommentiert.
An diesem einen Tag aber ist es still. Die Ortsdurchfahrt ist gesperrt. Keine Lkws, keine hupenden Autos – stattdessen Kindergelächter und Musik. Das Straßenfest ist Protest in Trachten. Nach dem feierlichen Einzug des Spielmannszugs eröffnen waghalsige Kinder das Fest mit einem Seifenkistenrennen – dort, wo sonst PS-starke Motoren dominieren. Applaus statt Abgase.
Rund um den Ortskern ist alles geboten: Kletterwand, Glücksrad, Luftgewehrschießen, Hüpfburg und Kuchen in Hülle und Fülle – wie jedes Jahr vom engagierten Frauenbund gebacken. Unter dem Maibaum spielt die Musikkapelle auf. Idylle, aber nur auf Zeit. Den, sobald der Verkehr wieder rollt, kehrt der Lärm zurück. „Die Geräuschwerte sind gesundheitsgefährdend“, mahnt Bürgermeister Degele. Auch die Luftqualität sei laut Niklas deutlich belastet.
Und doch bleibt der Ton des Festes hoffnungsvoll. Der Erlös kommt der Ortsverschönerung zugute – ein Akt des Selbstrespekts inmitten politischer Ohnmacht. Landrat Anton Speer, der der Einladung gefolgt war, zeigte großes Verständnis und sichert weiterhin seine Unterstützung zu. Bad Kohlgrub hofft weiter – auf leisere Tage, gesündere Luft und eine Regierung, die zuhört. Bis dahin kämpft der Ort weiter.
Text / Fotos / Videos Copyright: Dominik Bartl/MedienPics.de
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